Die Waldeck hat ein neues Verwalterteam

„Um Himmels Willen, warum tut ihr euch das an?!“ und „Das ist ja phantastisch, klingt großartig, was ihr da vorhabt!“ – wenn wir im Herbst 2023 jemandem von unserer Idee erzählten, die Aufgaben des Burgvogts auf der Waldeck als Team zu übernehmen, kam eine dieser beiden Reaktionen. Keine liegt so ganz daneben. Wie also ist es zu erklären, dass vier Menschen auf der Höhe ihrer Schaffenskraft, mitten im Berufsleben und augenscheinlich im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, ihr bequemes Großstadtleben eintauschen gegen – ja, was genau eigentlich? Denn was das ist, ein Burgvogt, ist Außenstehenden kaum zu erklären, genauso wenig wie die Faszination, die von der Waldeck ausgeht. Aber was man an diesem Ort tun wird, worauf man hinarbeitet und worin der Wert dieser Arbeit liegt, das lässt sich dann doch ausdrücken. Und das wollen wir nun auch gegenüber euch tun, der ABW, die nun nicht mehr nur „unser“ Verein, sondern auch unsere Arbeitgeberin ist.

Wir sind also ein Team, vier Leute, zwei Paare, und drei von uns – Hein, Jonas und Marlene – kennen die Waldeck seit vielen Jahren sehr gut. Ursprünglich erlebten sie den Platz als Mitglieder in Happys und Didos Hausteam, wenig später lernten sie ihn als engagierte und aktive Vereinsmitglieder noch einmal anders kennen und spätestens, seit die drei fest in der Organisation von Freakquenz und Liedersommer verbaut sind, ist die Waldeck aus ihren Leben kaum wegzudenken. Ein Großteil der gemeinsamen Zeit floss während der letzten Jahre in Vereinsarbeit, und auch Jonas‘ Partnerin Marie – sie kannte den Platz lange Jahre als Besucherin – hatte irgendwann durch die Organisation des Freakquenz-Festivals auch eine ordentliche Portion Waldeck in ihren Alltag integriert.

Der Plan, nun einen gewaltigen gemeinsamen Schritt zu machen und als Team den Burgbetrieb zu schmeißen, entsprang dann allerdings einem spontanen Einfall. Unsere unterschiedlichen beruflichen Hintergründe – die teilweise unmittelbar mit unseren persönlichen Waldeck-Geschichten zusammenhängen – und unsere gemeinsame Verbundenheit mit dem Platz fügten sich zu einem Gedanken, der uns nicht mehr losließ: Was wäre, wenn nicht ein Paar oder gar eine einzelne Person, alle Kraft, Zeit und Aufmerksamkeit ohne Pause in diesen unbeschreiblichen Job stecken müsste, sondern wenn man die gleiche Arbeitszeit auf vier statt zwei Köpfe und acht statt vier Hände verteilen könnte? Wenn die Mitglieder dieses Teams sich gegenseitig ergänzen, unterstützen und im Notfall vertreten könnten, also die Last der Verantwortung teilten? Was wäre, wenn die Menschen, die den Betrieb führen, neben ihrer Arbeit für die Waldeck noch anderen Tätigkeiten nachgingen, so dass sie immer wieder ihren Kopf in andere Aufgaben stecken und regelmäßig anderswo neue Eindrücke sammeln könnten, während die Waldeck weiterhin in guten Händen bliebe?

Wir tauschten uns aus über unsere Vorstellungen davon, was unsere Arbeit als „Burgvogt-Team“ anleiten würde, wenn man uns ranließe und – gute Nachricht! – wir stellten viele entscheidende Gemeinsamkeiten fest:

Für uns ist die Waldeck ein ästhetischer Platz. Wir teilen die Überzeugung, dass sie für ganz unterschiedliche Menschen ein anziehender Ort sein kann, der Gäste, Vereinsmitglieder, Künstler:innen und Kooperationspartner:innen anspricht und willkommen heißt – ein Freiraum, flexibel und offen, mit einer liebenswerten Handschrift, die wir als Burgteam entwickeln. Wir wollen den Charme, den die Waldeck mit ihren vielfältigen Traditionen und liebgewonnenen Eigenheiten versprüht, wahren und ihre Schönheit noch sichtbarer machen. Das geht für die Waldeck, wie wir sie kennen und lieben, einher mit einer ökologischen und nachhaltigen Grundhaltung, genauso wie mit Herzlichkeit, Gemütlichkeit und leckerem Essen in gemeinschaftlicher Runde.

Für uns ist die Waldeck auch ein Sehnsuchtsort und kann eine Auszeit bieten von der „Welt da draußen“ für alle, die abschalten und auf andere Gedanken kommen wollen. Wir sehen die Waldeck aber in unserer Arbeit nicht „nur“ als romantischen Rückzugsraum, sondern auch als vernetztes Zentrum. Und interessiert die Zusammenarbeit mit Gruppen und Institutionen, die ähnliche Ziele verfolgen wie die ABW, genauso wie die Verbindungen der Waldeck in die Region. Die Förderung des geistigen und kulturellen Austauschs zur Stärkung von Gemeinschaftlichkeit und Demokratie sind uns sehr wichtig, und wir können mit unserer Arbeit Gruppen, Bildungsangebote und Kulturveranstaltungen fördern, die freiheitlich-selbstbestimmte und weltoffene Haltungen stärken, gegen Rassismus, Antisemitismus und andere ausgrenzende Denkmuster anarbeiten. Was wäre stimmiger an einem Ort, der so für das politische Lied, den interkulturellen Austausch und die Freiheit des musischen Ausdrucks steht, wie die Waldeck?

Für uns ist die Waldeck ein Ort für Gemeinschaft. Hier treffen verschiedenste Menschen aufeinander und entdecken im gemeinsamen Arbeiten, Lernen, Feiern und kreativen Schaffen etwas, das sie verbindet und woran sie wachsen. Davon profitieren natürlich unsere Jugendgruppen und Teilnehmende an Kultur- und Bildungsevents sehr. Aber vor allem gilt das für Mitglieder und Freund:innen des Vereins, die sich an gemeinsamen Aktivitäten beteiligen, zu Bauwochenenden dazukommen oder bei Veranstaltungen als Helfer:innen mitmachen. Es ist uns wichtig, mit euch gemeinsam Gelegenheiten für Vereinsarbeit zu schaffen und entsprechende Initiativen aus dem Verein zu unterstützen. Ganz besonders wertvoll ist außerdem die Erfahrung, die Ehrenamtliche in Bundesfreiwilligendienst und Freiwilligem Sozialen Jahr machen. Wir freuen uns darum sehr darauf, mit der Waldeck eine wertschätzende und inspirierende Umgebung für Ehrenamtliche bieten zu können, und so die persönliche Entwicklung gerade junger Freiwilliger ein Stück weit zu begleiten.

Das also ist, was uns bewogen hat, dem Verwaltungsrat eine Bewerbung zukommen zu lassen – das, und die goldene Abendsonne über den spätsommerlichen Wiesen. Jetzt ist die verrückte Idee Wirklichkeit geworden. Die ersten zwei Monate waren aufregend, enorm dicht, abwechslungsreich und ja, auch anstrengend. Wir haben viele liebe, motivierende Nachrichten bekommen und Unterstützung erfahren: aus dem Verein, dem Dorf, von alten und jungen Waldeckerinnen und Waldeckern, und über jede einzelne haben wir uns sehr gefreut. Was war noch? Es gab einen abgebrochenen Strommast gleich am 2. Januar, wir wurden als Neubürger:innen in Dorweiler willkommen geheißen, waren wunderschön eingeschneit (und anschließend nicht ganz so schön eingeeist), Marie und Marlene haben sich bei der Altweiberfastnacht in Dorweiler die Ehre gegeben, die Erkältungswelle hat uns erwischt, die ersten Gruppen des Jahres haben glücklich den Platz verlassen, Häuser und Gelände kommen langsam in Form für den prall gefüllten Kalender, und wir freuen uns sehr auf ein herausforderndes erstes Jahr, das bestimmt noch viele Überraschungen bereit halten wird. Bis bald auf der Waldeck also!

Herzliche Grüße,
euer Verwalterteam Marlene, Hein, Jonas & Marie

Das Team in Aktion:

Jonas ist Veranstaltungskaufmann, Programmplaner und Künstleragent, auf der Waldeck kümmert er sich um einen vollen Belegungsplan und unterstützt die Vernetzung in die Kulturbranche. Marie, studierte Betriebswirtin und Event-Regisseurin, fuchst sich in die Buchhaltung und Betriebsorganisation ein und hält schon mal den Kochlöffel parat. Marlene kommt aus der Wissenschaftskommunikation und -administration, auf der Waldeck hat sie den Hut auf, ist zuständig für Bildungsangebote, und auch die Gartenschere ist schon im Anschlag. Und Hein, der Techniker mit der handwerklichen Universalbegabung, ist zuständig für alles, was einen Stecker oder ne Schraube locker hat.

Am Abend des 2. Januar war plötzlich schneller das Licht aus, als man es knacken hörte: Der neue Strommast, der erst im Herbst gesetzt worden war, war schon wieder abgebrochen. Der frische Mast kam schon am nächsten Tag, die Spuren der schweren Maschinen sieht man heute noch auf dem Rasen.

 

 

 

Mitte Januar kam der Wintereinbruch: Erst überzogen Eisregen und Nebel den Platz mit einer spiegelglatten Eisschicht, dann fielen dicke Schneeflocken.